Das Wort „Shadowdrop“ beschreibt die Ankündigung und Veröffentlichung eines Videospiels meist im Rahmen eines Showprogramms. In der Gaming-Branche hat sich vor allem Nintendo so ein wenig das Recht herausgenommen „Shadowdrop“-Meister zu sein. Doch im Januar 2023 hat auch Microsoft bewiesen, dass sie das nötige Talent dazu haben. Denn während eines Dev-Talks am 25.01.2023 wurde der Titel „Hi-Fi-Rush“ nicht nur angekündigt, sondern auch sofort veröffentlicht. Allein das war für mich Grund den Titel etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Meine Eindrücke zu einem Genre, dem ich mich normalerweise nicht sonderlich zugewandt sehe und einem Studio, mit dem ich bisher keine Berührungspunkte hatte, könnt ihr jetzt nachlesen.
Konsole: Xbox Series X
Autor: Alex
Inhaltsverzeichnis
Gameplay: Feel the Beat
Motivation: Liegt dir Rhythmus im Blut?
Die Frage aus der Überschrift kann man tatsächlich als Gradmesser für die Motivation heranziehen. Obwohl die Frage weniger abschließend mit einem Ja oder Nein beantwortet werden muss. Vielmehr stellt sich die Frage bei „Hi-Fi-Rush“ nach dem „Wie viel?“. Denn das Spiel ist – bis auf sehr wenige Ausnahmen – auch komplett ohne Augenmerk auf den Rhythmus spiel- und schaffbar. Aufgeteilt in fünf Schwierigkeitsgrade (wobei sich der letzte erst nach erstmaligem Durchspielen aktiviert) könnt ihr entscheiden wie viel Einfluss das Rhythmusgefühl auf euren Spielerfolg nehmen darf. Von „Leicht“ in dem ihr komplett befreit von jeglicher Rhythmusbindung agieren könnt, bis hin zu „Rhythmus-Meister“ bei dem der Name wirklich Programm ist, bietet das Spiel eine große Zugänglichkeit.
Aber wie motivierend ist jetzt ein Rhythmusspiel, bei dem es am Ende gar nicht so sehr auf das Einhalten des Rhythmus ankommt? Um ehrlich zu sein tatsächlich überschaubar. Die Handlung, zu der ich gleich noch komme, bietet zwar gute Unterhaltung, aber einfach so durch die Welten zu pflügen ohne wirkliche Herausforderung kann schnell etwas ermüdend wirken. Denn obwohl die verschiedenen Welten immer wieder mit Perspektivwechseln und kleineren und größeren Aufgaben beschäftigen, so wirklich mitreißend wird es halt nicht. Von daher gehe ich so weit und würde sagen, dass ihr zumindest ein wenig Rhythmik mitbringen solltet, um zumindest den „Normal“-Schwierigkeitsgrad zu bestehen, denn auch dort ist das Rhythmusverhalten einigermaßen nachsichtig, fordert aber dennoch zumindest ein rhythmisches Grundverständnis.
Ein Punkt, der völlig unabhängig des Rhythmusaspektes steht, ist der Humor und die Erzählform der Handlung in „Hi-Fi-Rush“. Denn diese lädt ein die Geschichte gemeinsam mit Chai zu erleben. Nicht zuletzt auch wegen seines sehr flapsigen und schlicht zum Brüllen komischen Humors. Das Zusammenspiel der sich später findenden Gruppe ist herausragend und die gewählten Charaktere sind von Grund auf sympathisch. Man will also am Ende einfach Zeit mit der Gruppe verbringen.
Steuerung: Eine Flut an Möglichkeiten und Tutorials…
Streng genommen könnte ich auf diesen Absatz auch verzichten, denn glaubt mir für jede Kleinigkeit an Steuerung wird es in „Hi-Fi-Rush“ ein mehr oder weniger ausführliches Tutorial geben. Allein in den ersten beiden Stunden befindet ihr euch wohl mehr in solchen als dem eigentlichen Spiel. Aber natürlich gibt es hier auch eine kleine Übersicht dessen, was ihr für Möglichkeiten in diesem Spiel habt und das sind nämlich überraschend viele.
Neben einer klassischen Controller-orientierten Bewegungssteuerung inklusive Doppelsprung könnt ihr gerade innerhalb der Kämpfe eure individuelle Taktik zusammenstellen. Neben den von euch selbst ausführbaren Angriffsvarianten könnt ihr euch einen Spezialangriff triggern. Hierfür muss eine Art „Superleiste“ gefüllt sein. Diese füllt sich mittels Kampfaktionen oder dem Einsammeln von Batterien. Aktiviert wird die Spezialattacke durch das gleichzeitige Drücken der Analogsticks L3+R3. Ihr könnt am Ende zwischen mehr als einem Dutzend solcher Spezialangriffe wählen.
Insgesamt könnt ihr sehr viel wählen, ihr habt dabei nur eine Einschränkung: Geld! Oder genauer gesagt: Maschinenschrott, das ist nämlich die Währung des Spiels. Je mehr ihr davon sammelt, desto mehr könnt ihr euch an Techniken und Unterstützung kaufen. In eurem Hub könnt ihr auf einen Shop zurückgreifen, der nicht nur neue Angriffskombinationen und eben die erwähnten Spezialangriffe bereithält, sondern auch noch passive oder aktive Vorteile wie höhere Gesundheit oder schneller nachladende Unterstützungsangriffe. Die Supportangriffe werden von euren Bandmitgliedern gefahren und unterscheiden sich voneinander teils erheblich was passive Wirkung und aktiven Schaden angeht.
Außerhalb der Kämpfe erwartet euch dann ein klassischer Mix aus Action und Plattformer. Wobei gerade letzteres auch gerne mal zur fummeligen Millimeterarbeit ausarten kann, denn die Kamera ist nicht unbedingt immer euer Freund.
Inhalt: Born to be a Rockstar – oder ein Cyborg-Unfall…
Chai nimmt an einem Testprogramm der hiesigen Technikfirma Vandelay teil. Das Ziel dieses Programms ist es Menschen mit Behinderung neue Perspektiven zu schaffen. Im Falle von Chai wäre das ein neuer Arm. Bei der Operation gerät allerdings alles ein wenig außer Kontrolle. Obwohl der eigentliche Grund für die Teilnahme mehr als erfolgreich verlaufen ist, gilt die Operation dennoch als fehlerhaft. Wieso? Neben dem neuen Arm wurde Chai auch sein eigener MP3-Player verpflanzt. Von nun an bestimmt die dort gespeicherte Musik nicht nur seinen Alltag in Dauerschleife, sondern ist sprichwörtlich auch sein Herzschlag. Da das Unternehmen selbst aber die Fehlerzahl geringhalten will, setzen diese schnell alles daran Chai zu beseitigen.
Es ist der genau richtige Zeitpunkt für Chai herauszufinden, dass sein neuer Arm eine spezielle Fähigkeit hat. Er kann aus herumliegenden Maschinenschrott eine Behelfsgitarre entstehen lassen. Mit der kann er nicht nur die coolsten Riffs schmettern, sondern sich gleichzeitig auch gegen die über ihn herfallende Armee aus Security-Robotern erwehren. Auf seiner Flucht vor diesen lernt er eine mysteriöse Stimme kennen, die ihm dezent aus der Patsche hilft.
Sie soll sich als Peppermint herausstellen und nimmt Chai mit auf eine kleine Reise zu den Hintergründen und jüngsten Entwicklungen innerhalb der Firma. Woher sie all das Hintergrundwissen hat, will sie erst sehr spät verkünden. Feststeht jedenfalls, dass Vandelay so etwas wie die Welteroberung vorbereitet. Passenderweise hat Peppermint aber bereits den Gegenplan fertig geschmiedet und hat scheinbar in Chai jemanden gefunden, der diesen auch in die Tat umsetzen kann, denn so recht mit eigenen Plänen arbeiten ist nicht die Stärke von ihm.
Ein gefährliches Programm will abgeschalten werden, das kann aber nur jemand mit allen sechs Schlüsselkarten der wichtigsten Persönlichkeiten der Firma. Die Mission ist klar, die Umsetzung aber nicht so, denn diese Personen verbarrikadieren sich in aller Regel in gut geschützten Räumen und fordern somit das komplette Verständnis über den Vandelay-Campus. Nicht nur deswegen schließen sich die beiden mit immer mehr ehemaligen und aktiven Mitarbeitern zusammen, um gemeinsam ihren großen Plan in die Tat umzusetzen…
Präsentation: Comic zum Spielen
Ruft man sich in Erinnerung, dass mit Tango Gameworks hier ja eigentlich ein Entwicklerstudio am Werk ist, dass bisher eher im Horror-Segment beheimatet war, dann muss man sich nicht nur bei der Präsentation des Spiels verwundert die Augen reiben. Denn anders als bei klassischen Horror-Spielen strotzt die Welt von „Hi-Fi-Rush“ geradezu vor bunten Elementen, knalligen Farben und schlichtweg guter Laune – also zumindest optisch. Das man sich beim Grafikstil für eine Art Mischung aus „Cel Shading“ und „Comic“ entschieden hat, ist gewöhnungsbedürftig, legt sich aber nach den ersten Spielminuten. Auch wenn ich persönlich bis zum Ende nie zu 100% warm mit dem Stil geworden bin, er passt wunderbar in die Art und Weise des Gameplay und auch die von ihm dargestellte Welt samt ihren Charakteren hat funktioniert.
So wirbelt nun Chai mit seinen Freunden durch den Campus jenes Techkonzerns, der sein Leben eigentlich nur etwas erleichtern sollte. Der Grundaufbau des Campus ist dabei klassischen und vergleichbaren amerikanischen Firmen wie Facebook, Google & Co. angelehnt. Parodistisch und ironisch werden Aspekte gekonnt überzeichnet und überdramatisiert. Herrliches Gimmick in der grafischen Inszenierung ist die Tatsache, dass sich so gut wie alles im passenden Takt bewegt. So kann man auch ohne Takthilfe (die sich per Knopfdruck (de-)aktivieren lässt) jederzeit nach dem passenden Takt sehen.
Dass in einem Rhythmusspiel die Musik eine mehr als wichtige Rolle spielt, sollte für keinen eine Überraschung darstellen. Für die musikalische Inszenierung des Spiels hat man sich sehr an rock- und punk-lastigen Gruppierungen orientiert. Es ist den Verantwortlichen hierbei aber gelungen einen eigenen Sound zu kreieren und haben das Spiel somit nicht nur um bekannte Songs herumkonstruiert. Die Eigenkompositionen stechen dabei für mich eindeutig hervor und ziehen einen auch direkt in ihren Bann – nicht nur wegen ihrer Beteiligung am Erfolg des Gameplay, sondern auch aus rein musikalischen Gründen.
Weiterer großer Punkt, den man erwähnen sollte, ist die Vollvertonung des Spiels. Dabei überzeugen nicht nur die individuellen Stimmen der Charaktere, sondern auch vor allem das Zusammenspiel derer untereinander. Gerade die Unterhaltungen innerhalb der Heldengruppe sind herrlich pikant und scheuen nie vor dem Einsatz von beißendem Sarkasmus untereinander. Gleichzeitig schaffen sie es aber auch die eher emotionalen Parts innerhalb des Spiels gekonnt und in der richtigen „Tonlage“ zu transportieren, so dass diese nicht ins Lächerliche abdriften.
Fazit: Aus dem Schatten den richtigen Takt getroffen
Ganz oben zu Beginn dieser Review habe ich den Umstand angesprochen, dass „Hi-Fi Rush“ als sogenannter „Shadowdrop“ veröffentlicht wurde. Die Öffentlichkeit wurde also im Vorfeld nicht über die Produktion oder dessen Fortschritt informiert, sondern mit dem Veröffentlichen abgeholt. Jetzt ist dann immer eine berechtigte Frage, die sich bei dieser Marketingstrategie beinahe aufdrängt: Was sagt das über das Spiel aus, wenn man vorher nicht über dessen Existenz informiert? Im Falle von „Hi-Fi Rush“ liegt das vor allem in der Besonderheit seiner Präsentation und seines Gameplay im Zusammenhang mit dem verantwortlichen Studio Tango Gameworks. Denn diese waren in der Vergangenheit wenig für ihre Rhythmusaffinität bekannt, sondern vielmehr für blutige Erwachsenenunterhaltung.
Die Rechnung mit dem Überraschungseffekt ist aufgegangen und hat uns Spieler mitgenommen in die schrille und bunte Welt von „Hi-Fi Rush“. Mit seinem sehr versöhnlichen wie nachsichtigem Gameplay und einer harmonischen wie unterhaltsamen Heldengruppe werden wir für einige Stunden in eine Spielwelt entführt, die man gerne erkundet. Dass der Rhythmusfaktor dann und wann zurücksteckt, kann als negativ ausgelegt werden, ist für mich aber ein schönes Entgegenkommen auf eine Spielerschaft, die bisher wenig Berührung mit eben diesem Genre gehabt haben dürfte.
„Hi-Fi Rush” ist also eine so willkommene wie gelungene Überraschung – auch wenn sie jetzt sicherlich nicht die Sterne vom Himmel spielt.
Keep on Gaming!
Wertung
Pro und Contra
Pro | Contra |
Rhythmusaspekt nicht spielentscheidend | Rhythmusaspekt nicht spielentscheidend |
Takt in die Umgebung installiert | Optische Inszenierung gewöhnungsbedürftig |
Eigener Soundtrack wird Lizenzwerken vorgezogen | Teilweise fummelige Detailsteuerung |
Sympathische Heldentruppe |
Score
Kategorie | Punkte | Begründung |
Motivation | 8 | Die Tatsache, dass man den Rhythmusaspekt nicht auf Biegen und Brechen durchsetzt, rechne ich den Verantwortlichen hoch an. Vor allem deshalb, weil sie das Spiel auf eine Spielerschaft loslassen, die in aller Regel noch wenig Erfahrung mit diesem Genre haben dürften. Dennoch werden auch die Rhythmus-Enthusiasten mit passenden Schwierigkeitsgraden (der schwerste erst nach erstem Durchspielen) zufriedengestellt. |
Steuerung | 6 | Neben dem Rhythmusaspekt kann das Spiel hinsichtlich Gameplay mit eher wenig Innovation oder Abwechslung punkten. Die Abläufe innerhalb der Level sind bis auf wenige Rätsel repetitiv. Zudem sorgen manche Sprung-Passagen dank etwas fummeliger Kamera/Steuerung auch gerne mal für den ein oder anderen Frust-Seufzer. |
Inhalt | 7 | Die erzählte Geschichte erfüllt seinen Zweck mit eher „klassischen“ Mitteln. Eine typische Heldenstory nimmt uns mit in eine zugegeben sehr sympathische wie unterhaltsame Gruppe von Rebellen, die gegen das Establishment antreten will. |
Präsentation | 7 | Optisch muss man sich (also ich zumindest) an das Spiel gewöhnen. Der comichafte Look muss nicht jeden überzeugen, aber ist perfekt, um auch den Rhythmus optisch einzubauen. Dass das manchmal auch etwas komisch aussieht, wenn Gegenstände fröhlich im Takt „hopsen“, die das für gewöhnlich nicht machen, lässt sich nicht vermeiden. Musikalisch und mit der Synchronisation punkten die Verantwortlichen dafür auf allen Ebenen! |
Gesamt | 70 % | „Hi-Fi Rush“ kam mit einem Knall und verpasst es leider, diesen auch in seiner Wertung zu wiederholen. Der Titel ist ein grundsolider Rhythmus-Klopper, der mit seiner technischen Inszenierung weit mehr punkten kann als mit seinem Gameplay oder seiner Handlung. Der verzeihende Umgang mit dem titelprägenden Rhythmus ist ein anerkennenswerter Mehrwert im Hinblick auf die Zugänglichkeit zu einem Spiel eines Entwicklers, der sonst ein komplett anderes Publikum unterhält. |
Infos
Publisher | Bethesda Softworks |
Entwickler | Tango Gameworks |
Plattform | Xbox Series X/S Windows PC |
Genres | Action, Rhythmus, Beat´em Up, Hack and Slash |
Release | 25. Januar 2023 |
Website | https://bethesda.net/en-US/game/hifirush |
Altersfreigabe | 12 Jahre |
Spielzeit | Ca. 11 Stunden |
Systemvoraussetzungen (PC – Empfohlen) Quelle: Steam | Setzt 64-Bit-Prozessor und -Betriebssystem voraus Betriebssystem: Windows 10 64-bit Prozessor: Intel Core i7-6700, Ryzen 5 1500X Arbeitsspeicher: 8 GB RAM Grafik: RTX 2070, RX 6600, Arc A750* DirectX: Version 12 Speicherplatz: 20 GB verfügbarer Speicherplatz Zusätzliche Anmerkungen: *Please check Intel’s website for Arc compatible CPU and motherboard requirements. |