Als bekennender Shooter-Verweigerer habe ich die Far Cry – Reihe bisher immer gemieden. Es ist nicht so, dass mich Story und Grafik nicht immer wieder zur Versuchung geführt hätten, doch ich kann mit dem Genre einfach nichts anfangen. Allerdings hat es der neueste Ableger der Reihe nun endlich geschafft, mich zu fesseln. Was Far Cry Primal so unglaublich gut macht, erfahrt ihr in dieser Review.
PS4-Review
Inhaltsverzeichnis:
Handlung
Gameplay
Grafik
Sound
Fazit
Wertung
Infos
Spielinhalt: 10.000 Jahre vor Christus
Die Steinzeit war alles andere als gemütlich. Gefahren lauerten auf unsere Vorfahren an allen Ecken und Enden. Ob Mammuts, Säbelzahntiger oder die erbarmungslose Kälte. Der Mensch hatte es damals nicht leicht und seine rasche Entwicklung, seine Innovationen und seine kognitiven Fähigkeiten waren das Einzige, was ihm das Überleben sichern konnte.
Wir schlüpfen in die Rolle einer unserer Vorfahren. Ein Angehöriger des Wenja-Stammes. Um den Stamm zu retten, gehen wir auf die Jagd nach einem Mammut, welches uns die Nahrung für die Weiterreise des Stammes in das vielversprechende Land Oros sichern soll. Doch ein Säbelzahntiger stört die Jagd und tötet all unsere Begleiter, wir können uns gerade noch retten und machen uns alleine auf den Weg in das Land Oros.
Dort treffen wir auf weitere Wenja – allerdings sind alle Stammesangehörigen verstreut und unsere Aufgabe wird es sein, diese wieder zu vereinen und ein neues Zuhause für den Stamm zu schaffen.
Doch schnell wird klar, dass wir nicht die einzigen Menschen in Oros sind. Auch andere Stämme versuchen, sich das Land anzueignen. Die Feuer-affinen Izilia und die kriegerischen Uruk machen uns das Leben schwer. Die einzige Möglichkeit, den eigenen Stamm zu retten ist es, die feindlichen Stämme zu vernichten und uns deren Fähigkeiten zu Nutzen zu machen.
Unsere Stammesexperten helfen uns bei dieser Aufgabe und der Schamane weckt in uns eine einzigartige Kraft: Wir können Bestien zähmen und uns deren Fähigkeiten zu Nutze machen. Die tierischen Begleiter unterstützen uns bei unserem gefährlichen Unterfangen tatkräftig.
Doch genügt dies, um einen nahezu völlig zerschlagenen Stamm gegen die Mächte der Natur und der beiden großen anderen Stämme wieder an das obere Ende der Nahrungskette zu setzen?
Die Geschichte der Menschheit ist ein faszinierendes Thema. Wenn man bedenkt, dass unsere Erde seit Jahrmilliarden existiert, der Mensch aber lediglich einen winzigen Bruchteil dieser Zeit überhaupt auf der Erde wandert, aber sie derart veränderte, sprengt nahezu jede Vorstellungskraft (als Versuch könnt ihr euch ein 40 Meter langes Band vorstellen, welches die Existenz unserer Planeten darstellt. Der Mensch betritt dieses Band in seiner Früh-Form auf dem letzten Zentimeter dieses Bandes. Ein Zentimeter entspricht ca. eine Milliarde Jahre…). Far Cry Primal versucht, uns in die Zeit 10.000 vor Christus zurück zu versetzen – lange bevor in Mesopotamien um 6.000 vor Christus die ersten Menschen größere Gemeinschaften bildeten, Ackerbau betrieben und die erste große Metropole erschufen. Besonders begeistert hat mich an dieser Spielidee die Tatsache, dass trotz der fiktiven Elemente wie die Stämme, das Land Oros oder die Fähigkeit, Bestien zu zähmen, wissenschaftliche Erkenntnisse großen Einfluss auf das Spieldesign hatten.
Dies möchte ich kurz an zwei Punkten festmachen.
Der homo erectus, wie der Vorfahre jener Zeit genannt wird, hatte bereits die Kenntnisse und Fähigkeiten entwickelt, einfache Werkzeuge und Waffen zu konstruieren, Kleidung herzustellen und sich das Feuer zu Nutzen zu machen. Dies korreliert mit den Lebewesen der Umwelt im Spiel: Säbelzahntiger und Mammuts, aber auch Wildschweine und Hirsche besiedeln das Land Oros. Wir wissen heute, dass Säbelzahntiger und Mammuts zwar ausgestorben sind, aber viele Tiere, die heute noch existieren, auch den Menschen jener Zeit bereits bekannt waren.
Doch noch viel interessanter ist der sprachliche Aspekt. Selbstverständlich können wir heute nur schwer sagen, wie die frühen Menschen wirklich gesprochen haben. Doch die Sprachwissenschaften versuchen seit Jahrzehnten, die ursprüngliche Sprache Europas zu rekonstruieren. Durch Sprachwandel und Verschiebungen haben sich die uns heute bekannten Sprachen wie beispielsweise Englisch, Polnisch, Deutsch oder Französisch entwickelt – der Ursprung muss allerdings in einer gemeinsamen Sprache liegen. Bei einigen Wörtern können wir die Verwandtschaft noch sehr deutlich erkennen, bei anderen sprachlichen Phänomenen bleibt dem Laien der Zusammenhang allerdings nicht nachvollziehbar. Für Far Cry Primal wurden Sprachwissenschaftler engagiert, welche diese sogenannte indogermanische Sprache für das Spiel neu rekonstruieren sollten. Dabei wurden natürlich Änderungen und Vereinfachungen vorgenommen, da viele Laute heute nicht korrekt zu artikulieren sind. Dennoch ist es meines Erachtens zu bewundern, wie authentisch das Spiel gestaltet wurde. Statt einer erfundenen „Uga Uga“- Kauderwelsch-Sprache greift man auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurück und bemüht sich, Story und Spielwelt auf eine wissenschaftlich fundierte Basis zu stellen.
Gameplay: Mehr Rollenspiel als Shooter
Auch wenn der ein oder andere Far Cry Veteran vielleicht etwas betrübt sein wird, so haben mich vor allem die vielen Rollenspiel- und verminderten Shooter- Elemente von Far Cry Primal überzeugt. Allein das Setting in der Steinzeit, lässt keine modernen Waffen zu, so dass auf einfachere Waffen zurückgegriffen werden muss: Speer, Keule, Pfeil und Bogen. Dazu noch einige innovative Bomben und Fallen und ein äußerst praktischer Kletterhaken. Abgesehen von einigen Stein- und Knochensplittern ist unser Repertoire damit auch schon erschöpft.
Wie gut unsere Angriffe mit diesen Waffen klappen, können wir über zwei verschiedene Möglichkeiten beeinflussen. Zum einen können wir Skillpunkte verwenden, um diverse Fähigkeiten auszubauen. Zum anderen lassen sich aber auch die Waffen selbst upgraden.
Dies führt uns direkt zu weiteren wichtigen Spielelementen: Erfahrungspunkte, Materialien und unsere Dorfbewohner.
Erfahrungspunkte erhalten wir für fast alles, was wir in Far Cry tun: Bestien töten, Gegner eliminieren, versteckte Gegenstände sammeln und natürlich das Erfüllen von Missionen. Typische Rollenspiel-Elemente eben.
Das Sammeln von Materialien geschieht ebenfalls denkbar einfach. Natürlich finden sich hin und wieder versteckte Materialien – doch im Großen und Ganzen müssen wir diese aus der Natur sammeln und beispielsweise von Gestrüppen, Pflanzen oder Tieren nehmen. So kommen wir an Holz, Schiefer, Felle, Tierfett usw. Im späteren Spielverlauf sammeln auch unsere Dorfbewohner regelmäßig Material für uns, welches wir uns im Lager abholen können. Einige Ressourcen werden wir auf dem Weg dennoch immer wieder einstecken müssen – beispielsweise Hartholz für unseren Pfeilvorrat, welcher je nach Stufe unseres Köchers mehr oder weniger schnell aufgebraucht ist.
Wie bereits weiter oben geschildert, ist unsere Hauptaufgabe, alle Angehörigen des Wenja Stammes in einer neuen Heimat in Oros zusammen zu bringen. Die Zahl der Dorfbewohner steigt während des Spiels stetig an, indem wir Missionen erfüllen oder Wenja, die wir auf unseren Wegen finden, retten. Diese schließen sich automatisch dem Dorf an und erhöhen so die Bevölkerungszahl. Bis zu 300 Dorfbewohner können wir in unserem Dorf aufnehmen, was uns regelmäßig neue Boni einbringt – anfangs neue Erweiterungen für das Dorf, später einen Bonus auf die Anzahl der Erfahrungspunkte für Missionen.
Unter den vielen Dorfbewohnern gibt es auch einige ganz besondere, welche uns mit neuen Fertigkeiten ausstatten – vorausgesetzt wir bieten ihnen den entsprechenden Wohnraum. Die Hütten dieser Spezialisten können wir mit besonderen Materialien zu gegebener Zeit ausbauen, und uns so deren Wissen zu Nutze machen und neue Fertigkeiten und Fähigkeiten freischalten. Zu Beginn wird uns vor allem die Sammlerin und der Schamane beschäftigen – natürlich auch mit Charakterbezogenen Quests. Besonders der Schamane spielt eine wichtige Rolle, da er uns lehrt, wie man Tiere zähmen kann. Und ein gezähmtes Tier kann während eines offenen, aber auch verborgenen Angriffs sehr hilfreich sein. Ein Höhlenbär oder seltener Säbelzahntiger hält die Gegner einige Zeit auf Trab, so dass nicht alle Gegner sofort auf uns losgehen.
Zu entdecken und zu erledigen gibt es bei Far Cry Primal so einiges: Außenposten wollen erobert werden, Leuchtfeuer entzündet, Höhlen erforscht und etliche Gegenstände gefunden werden. Die Dorfexperten geben darüber hinaus noch Story-gebundene Missionen hinzu, welche sich allerdings nicht zu sehr von den freien Missionen unterscheiden.
Auch unsere Wenja-Brüder und Schwestern warten überall im Land Oros mit Hilfsgesuchen auf uns: So bitten sie uns, entweder eine Bestie zu töten, sie zu eskortieren und zu beschützen oder feindliche Lager zu stürmen, um dort Stammesangehörige zu befreien oder das gesamte Lager niederzubrennen. Außerdem finden sich noch etliche zufällige Missionen, welche uns ebenfalls XP und Dorfbewohner bescheren.
Aus dieser Reihe von Missionen sticht vor allem die Quest-Linie des Schamanen heraus: Hier verfolgen wir seltene Bestien, um diese zu besiegen und schließlich zu zähmen. Einmal gezähmte Bestien stehen uns das gesamte Spiel über als Unterstützung zur Verfügung.
Auch wenn Far Cry Primal alle Steuerelemente des Controllers nutzt, stellt sich die Steuerung als eingängig heraus. Die Richtungstasten und das Touchpad öffnen verschiedene Menüs, in welchen wir wiederum über L1 und R1 weitere Raster öffnen können. In der offenen Spielwelt selbst können wir die wichtigsten Aktionen über die normalen Befehlstasten ausführen und Fernangriffe mit Hilfe von L2 und R2. Unsere Bestien schicken wir dagegen mit R1 auf unsere Gegner los.
Da unsere Fertigkeiten sich aber erst im Verlauf des Spiels vermehren, lassen sich die neuen Steuerungselemente schnell zu den bereits bekannten hinzulernen, so dass auch Anfänger nicht überfordert sein sollten. Die Befehle werden problemlos umgesetzt, so dass sich während des Tests keine Probleme durch Verzögerungen oder ähnliches ergaben.
Grafik: Gestochen scharf – so wie man Far Cry eben kennt
Grafisch braucht man zu Far Cry eigentlich wenig sagen – schließlich hat die Spielreihe bisher immer sehr hohe Maßstäbe gesetzt. Die fiktive Welt von Oros wirkt durch ihre Tag-Nacht-Zyklen dynamisch und sowohl Landschaften, als auch Bestien und Menschen sind gestochen scharf. Vor allem aber auch die Bewegungsabläufe von Tieren und Menschen sind sehr realistisch umgesetzt.
Egal, ob man sich in den eher kargen und heißen Gebieten, oder aber in eisigen Gebirgen oder den schattigen Wäldern herumtreibt: Far Cry fängt die Natur ein und bringt sie direkt ins Spiel. Lediglich ein dynamisches Wetter würde das Spielgefühl noch intensivieren.
Sound: Authentizität wird groß geschrieben
Auch mit dem Sound trifft Far Cry Primal wieder voll ins Schwarze. Ob das Plätschern von Gewässern, Tiergeräusche oder das Stöhnen der Gegner und Protagonisten: Jeder Sound sitzt richtig. Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle wieder die Sprache der Figuren: Das abgewandelte Indogermanische bringt eine unglaubliche Stimmung in das Spiel. Sowohl die Authentizität wird dadurch gewahrt als auch eine enorme Spannung erhalten. Nicht jeder gesprochene Satz ist mit Untertitel übersetzt (in den Story-relevanten Dialogen natürlich schon), so dass wir uns vor allem auf Intonation und Lautstärke des Sprechers konzentrieren müssen, um zu erkennen, ob er uns freundlich oder eher feindlich gesinnt ist. Dies trägt enorm zur Stimmung bei.
Fazit: Ein gigantisches Spiel in einer faszinierenden Zeit
Far Cry Primal hat mich gefesselt. Bereits das Setting der Handlung hat mich in seinen Bann gezogen. Sich als Homo Erectus in der Steinzeit durchzuschlagen ist einfach eine neue Erfahrung. Vor allem die vielen Details, welche auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren, haben mich überzeugt: Ob nun die Figuren selbst, oder die indogermanische Sprache – alles passt zusammen und sorgt für ein stimmiges Gesamtbild. Die nötige Action und Fiktion gelingt durch die gegnerischen Stämme und unsere besonderen Fähigkeiten, wie beispielsweise das Zähmen von Bestien. Dennoch zerstört diese Vermischung von Übernatürlichem nicht den Eindruck der Authentizität, welcher unter anderem den großen Reiz an diesem Spiel ausmacht.
Selbstverständlich regen auch die Missionen, die Hauptstory und die vielen Waffen-Upgrades dazu an, sich durch das Land Oros zu schlagen. Trotz dessen Größe verliert man sich aber nie völlig und kann durch praktische Schnellreise seinen gewünschten Ausgangspunkt schnell wieder erreichen.
Insgesamt daher einfach ein klasse Spiel, welches nicht nur alteingesessene Far Cry- Veteranen begeistern sollte.
Pro |
Contra |
---|---|
indogermanische Vertonung |
teilweise sich sehr ähnelnde Missionen |
wissenschaftlich realistische Steinzeit |
kurze Spielzeit (ca 15 Stunden Story, ca. 25 Stunden bis "Platin") |
abwechslungsreiche Landschaften, Bestien und Gegner |
|
gekonnt integrierte Rollenspiel-Elemente zur Charakterentwicklung |
|
Wertung:
Kategorie |
Punkte |
Begründung |
---|---|---|
Story |
10 |
Auch wenn die Story nicht sehr lange ist, muss an dieser Stelle der grandiosen Recherche-Arbeit gehuldigt werden, welche das Spiel in eine realistische Urzeit versetzt |
Gameplay |
9 |
Typische First-Person-Action, hilfreiche Schnellreise-Punkte, schlüssige Steuerung und Menüführung, praktisches Skillsystem |
Grafik |
9 |
Wie man es von der Far Cry- Reihe gewohnt ist: Alles Top! |
Sound |
9 |
Tiere und indogermanische Vertonung – nichts zu meckern! |
Gesamtwertung |
92 % |
Auch wenn ich gerne länger durch Oros gestreift wäre: Das Spiel hat mich gepackt und auf jeder Linie überzeugt. Nicht nur für Fans der Reihe eines der aktuellen Must-Plays. |
Infos:
Publisher |
Ubisoft |
---|---|
Entwickler |
Ubisoft |
Plattform(en) |
PC PS 4 XBox One |
Genre |
Action- Adventure |
Release (Deutschland) |
23.02.2016 |
Website |
|
Preis lt. Amazon (Standardedition) Stand: April 2016 |
PC: 43 € XBox One: 53 € PS 4: 59 € |
Alterseinstufung (USK) |
16 Jahre |
Spielzeit |
Insgesamt ca. 15 Stunden für Story Insgesamt ca. 25 Stunden für alle Erfolge |