Kleine Blöcke, die von oben nach unten fallen. In einer Reihe gebracht, bringen sie diese zum Verschwinden. „Tetris“ ist (nach wie vor) ein Weltphänomen. Doch wie kam dieses Produkt mitten im Kalten Krieg aus der Sowjetunion in den Westen? Genau mit dieser Frage beschäftigt sich dieser Film und nimmt uns mit auf eine wahnwitzige Mixtur aus Spionage, Lügen, falschen Versprechungen und dem Wunsch eines Mannes das geistige Eigentum eines Künstlers nicht nur zu bewahren, sondern auch der Weltöffentlichkeit zugänglich zu machen!

Autor: Alex

Handlung: Der lange Weg von Tetris!

Henk Rogers hat ein Problem. Egal welches Spiel er auch verkaufen möchte, so richtig greifen will keines von ihnen. Als er einmal wieder auf der Winter-Ausgabe der Consumer Electronic Show (kurz auch CES) vertreten ist, um sein aktuelles Spiel in die Massen zu bringen, stößt er auf eine Neuentdeckung aus Russland: Tetris. Ein Spiel, das Henk sofort in seinen Bann zieht und er sich sicher ist, dass man damit Millionen über Millionen machen kann. Doch dafür braucht es die Lizenzrechte und während das bei westlichen Produktionen (selbst in den 1980er Jahren) schon manchmal kompliziert werden kann, so ist es bei Produktionen aus der Sowjetunion so gut wie unmöglich.

Doch über Umwege erfährt Henk, dass es bereits einen Deal mit dem Westen gibt und dieser über einen englischen Publisher namens Robert Stein gelaufen ist. Dieser hat wiederum Teile an das Medienkonglomerat Mirror Group veräußert. Henk entdeckt allerdings einen Teil der Lizenzen, die nicht an Mirror gegangen ist und so beschließt er einen sehr riskanten und auch kostspieligen Plan. Er möchte Nintendo ins Boot holen und tatsächlich scheinen die Japaner interessiert daran den Titel in ihr Sortiment aufzunehmen. Vor allem auch deswegen, weil sich Henk um das komplette Prozedere inklusive Rechte kümmern wird.

Hier setzt sich sein Wahnsinnsplan fort: Einen Deal wird er nur in Russland erreichen. Doch eine Reise nach Russland ist für Amerikaner zu dieser Zeit keine sehr sichere. Henk nimmt das Risiko auf sich und kontaktiert die für das Spiel verantwortliche Stelle. Doch schnell muss Henk nicht nur die hässliche Seite der UDSSR kennenlernen, sondern auch, dass die Vertragsdetails von Mirror nicht der Wahrheit entsprochen haben. Henk sieht einen gigantischen Verrat gegenüber gleich mehreren Stellen. Doch kann er dieses Vertrags-Gewirr auflösen, ehe er sich in ernsthafte Gefahr bringt und nicht nur sein Leben riskiert?

Einschätzung: Geschichtsstunde im Eiltempo

Während die meisten sicherlich schon mal in irgendeiner Form mit dem Videospiel „Tetris“ in Berührung gekommen sind, dürfte für die wenigsten die Hintergrundgeschichte bekannt sein. Wenn man sich nun diesen Film hier ansieht, kann man zu der Erkenntnis kommen, dass all das eine von Hollywood inszenierte und aufgepushte Story ist, die so niemals passiert sein kann. Genau hier beginnt der Film bereits interessant zu werden, denn (obwohl manches tatsächlich etwas überdramatisiert wurde) tatsächlich haben sich die Deals zwischen Russland und schlussendlich Nintendo genauso zugetragen. Tetris wurde zum Milliardenseller und hat den Gameboy zu unerkannten Höhen getrieben – und andersherum.

Die Geschichte von „Tetris“ befasst sich mit nicht weniger als dem kompletten Deal zwischen Henk/Nintendo und Alexey Pajitnov (dem Erfinder von Tetris). Die Entscheidung hierzu erfordert Mut, denn es war kein Deal, der in wenigen Minuten über die Bühne gegangen ist. Die Entscheidung den Film in vier Segmente aufzuteilen war hier eine gute Idee, hat den Film aber trotzdem nicht davor befreit arg gestaucht zu wirken. Große Teile der Handlung und seiner Entwicklung wirken extrem gehetzt und hastig heruntergespult. Schnitte ersetzen Tag- und manchmal auch gleich Locationwechsel. All das lässt den Film unfassbar gestresst erscheinen. Die zwei Stunden Laufzeit verfliegen dadurch zwar im wie im Flug lassen aber oftmals den Eindruck zurück, dass etwas mehr Zeit hier gar nicht so verkehrt gewesen wäre.

Die Herangehensweise an die Handlung und vor allem dieses Vertrags-Durcheinander wiederum ist dem Film extrem gut gelungen. Auch wenn man durchgängig und aufmerksam dabei bleiben muss, werden die verschiedenen Parteien und deren Irrungen und Wirrungen in diesem Geflecht aus Lügen und Scheinvereinbarungen jederzeit nachvollziehbar und auch realitätsnah aufgezeichnet. Dass man die Geschichte mit einem Spionage-Thriller kombiniert, war eine gute Entscheidung und passt geschichtlich auch gut in das Gesamtkonzept des Films. „Tetris“ erzählt somit nicht nur die Geschichte eines Mannes, sondern wirft gleich eine Handvoll historisch relevanter Persönlichkeiten in einen Topf. Hier ist es dann wieder besonders interessant, wenn man sich bereits im Vorfeld mit der Geschichte rund um „Tetris“ auseinandergesetzt hat. Denn nur dann erkennt man die fein nuancierten und herrlich herausgearbeiteten Details der einzelnen Charaktere und ihrer Intentionen.

Die herausgearbeitete Tatsache, dass der Tetris-Deal das Ende des Kommunismus eingeläutet hat, wirkt ein wenig mit „westlicher Brille“ inszeniert, ist auf lange Strecke aber tatsächlich der Fall gewesen. Sicherlich nicht nur exklusiv, aber Tetris hat mit großer Wahrscheinlich zum Umbruch beigetragen. Insgesamt sind in dieser Handlung viele einzelne Parteien miteinander verflochten. Die Aufgabe von biografischen oder auch historischen Filmen ist es auch immer den realen Vorbildern nicht nur zu entsprechen, sondern auch deren Geschichte zu erzählen. Das ist hier bei „Tetris“ ausnahmslos gelungen. Es fiel phasenweise sogar schwer die fiktionalen Charaktere (und davon gibt es tatsächlich welche) von den realen zu unterscheiden. Leider gilt auch hier wie für die Handlung insgesamt, dass alle Geschichten sehr gehetzt und hastig erzählt wurden und man beinahe keine Chance hatte sich mit allen zu identifizieren.

Technik und Besetzung: Sowjet-Tristesse trifft auf Egerton-Glanz

Technisch ist „Tetris“ in jeder Hinsicht ein Hingucker und das ist für mich vielleicht das beste Zeichen, wenn es um „Direct to Stream“-Veröffentlichungen geht. Denn dort fehlt mir manchmal „das gewisse Etwas“. Hier wird das aus meiner Sicht geliefert. Das fängt schon bei der Bildgestaltung an, in dem man immer wieder Elemente im Tetris-Look ins Realbild überführt. Oder bei einer Autoverfolgung, in dem man die entscheidenden Wagen eben im Pixellook erscheinen lässt und sie so durch die Straßen Moskaus rasen lässt. Aber auch die Inszenierung mit Blick auf Kostüme und Produktionsdesign sind alle auf einem insgesamt hohen Niveau. Beispielsweise hier genannt die erste Präsentation von Nintendos Gameboy gegenüber Henk Rogers (die so ähnlich aufgebaut ist wie die überlieferte Game Gear-Vorführung von SEGA Japan gegenüber dem Präsidenten von SEGA of America). Großartige Bilder für Gamer und unterhaltsame Bilder für alle Filmfans.

Musikalisch hingegen wagt der Film ein kleines Experiment und zwar in dem er Musik nur arg dosiert, dann aber dafür extrem mächtig und laut einsetzt. So gibt es viele Passagen, die komplett auf musikalische Untermalung verzichten. Dann aber gibt es wieder Szenen, die sich vor der überdrehten Musik kaum noch retten können. Verwendet werden dafür dann ein Mix aus eigens komponierten oder neu arrangierten Stücken von Komponist Lorne Balfe (u.a. „Top Gun Maverick“, „Geostorm“, „Black Widow“) aber auch Lizenzstücke wie Europe´s „Final Countdown“. Das Konzept geht auf und gibt dem Film zu den richtigen Momenten einen atmosphärischen Auftrieb. Denn alles in allem überwiegt in dem Film doch das eher bedrückende Gefühl der Chancenlosigkeit.

Wem der Name Jon S. Baird nichts sagt, dem kann man das zweifelsohne nicht verübeln. Denn mit „Tetris“ feiert Baird erst sein drittes Langfilmprojekt (nach „Cass – Legend of a Hooligan“, „Drecksau“ und „Stan & Ollie“). Biografische Filme haben dabei einen Schwerpunkt in seiner bisherigen Vita. Das unterstreicht er auch mit dieser Produktion eindeutig. Seine Art die Geschichten und Charaktere gleichermaßen in das Rampenlicht zu rücken ist bemerkenswert. Auch die Anzahl von beiden in „Tetris“ ist ungewöhnlich hoch. Umso faszinierender, dass es ihm gelungen ist, dass keiner der auf realen Menschen basierenden Charaktere weder in irgendeiner Form untergeht noch in irgendeiner Art und Weise schlecht dargestellt wird. Alle Inszenierungen und Interpretationen entsprechen den realen Vorbildern.

Apropos Charaktere, da gibt es natürlich ein paar, über die man jetzt an dieser Stelle sprechen könnte, ich möchte das in diesem Film aber auf einen Charakter beschränken, denn dieser verbindet nicht nur den Film, sondern auch all seine Geschichten. Das heißt natürlich nicht, dass alle anderen Charaktere dadurch gleich in irgendeiner Form zu vernachlässigen sind, aber wenn ich das Feld öffne, dann wird es schwierig hier einen Schlussstrich zu ziehen.

Sprechen möchte ich über Henk Rogers, der den Film nicht nur einleitet, sondern von der Grafikabteilung des Films in den Pixel-Animationen völlig zurecht als „Player 1“ bezeichnet wird. Nicht nur im realen Ablauf, sondern auch hier im filmischen ist er der Mann, der die Fäden schlussendlich zusammenführt und dabei nicht nur sein eigenes Leben aufs Spiel setzt, sondern das von vielen anderen – teilweise sehr namhaften Menschen auch.

Henk Rogers wird im Film von Taron Egerton (u.a. „Kingsman“-Filme, „In with the Devil“, „Rocketman“) verkörpert und ich muss zugegeben, als ich den ersten Trailer gesehen habe: Ich war überrascht. Ich habe mir Egerton nicht in einer solchen Rolle vorstellen können. Doch er hat gerade auch mit seiner Beteiligung an Produktionen wie „Eddie the Eagle – Alles ist möglich“ bewiesen, dass er auch anders kann als den reinen Actionhelden zu mimen. Hier also Henk Rogers ein mehr oder weniger erfolgreicher Videospielhersteller und -publisher. Seine Art Rogers zu interpretieren ist auf den Punkt gebracht pure Unterhaltung. Seine Art der Dialoge, die Artikulation, Gestik und Mimik sind herausragend und verleihen nicht nur seinem Charakter, sondern auch dem ganzen Film eine wirklich unterhaltsame und angenehme „humorige“ Note, die gekonnt und niemals aufgesetzt zur Aufheiterung der Grundstimmung beiträgt. Ein für mich großartiger Auftritt von Egerton!

Fazit: So macht Geschichte Spaß!

Als Videospielfan und auch Fan deren Geschichte war „Tetris“ für mich eine spannende Angelegenheit. Ich kannte die Geschichte rund um den „Tetris-Deal“ bereits seit längerem und habe sie auch schon aus verschiedensten Blickwinkeln und mit verschiedenen Argumentationen gehört. Sie jetzt in dieser Filmversion zu sehen war für mich große Unterhaltung und auch Bestätigung. Denn durch die Beteiligung des realen Henk Rogers sowie seiner Tochter Maya (die mittlerweile die Leitung der Tetris Company übernommen hat), gewinnt der Film weiter an Authentizität. Ich mochte die Art und Weise wie diese doch sehr umfangreiche und phasenweise auch verworrene Geschichte hier erzählt wurde.

Sicherlich ist mir das arg gehetzte Storytelling ein wenig sauer aufgestoßen und ja ich hätte mich über ein paar Minuten mehr Laufzeit zur Entzerrung sehr gefreut. Dennoch reicht das für mich nicht, um mir die Freude an diesem Stück (Videospiel)-Geschichte nehmen zu lassen. Die generelle Interpretation und auch Inszenierung mit einer Mischung aus Spionage-Thriller und typischem Biografiefilm ist eine gelungene Abwechslung und liefert genügend Unterhaltung, um den Film und seinen Abläufen jederzeit folgen zu wollen. Die technische Inszenierung ist erfrischend modern und fügt sich trotzdem wunderbar mit dem „80s“-Look des Films zu einem Gesamtwerk zusammen.

„Tetris“ mag auf den ersten Blick wie eine völlig übertriebene Spionagestory über ein Videospiel aussehen, aber wer sich vor oder nach dem Film mit der echten Geschichte befasst (hat), der wird merken: So weit weg war sie gar nicht! Und eben diese Nähe und Authentizität sind für mich die größten Auszeichnungen an diesem Film – neben der großartigen Leistung von Taron Egerton!

Keep on Watching!

Infos:

Originaltitel Tetris
Deutscher Titel Tetris
Studio / PublisherApple TV+
Apple Studios
AI Film
Marv Studios
Imagine Entertainment
Unigram
Deutscher Kinostart 31. März 2023
Filmlänge 117 Minuten
FSK-Einstufung 12 Minuten

Trailer: