Ohne jegliche Erinnerung und wirklichen Plan, was als nächstes zu tun ist, wacht ein kleiner Fuchs an einem Strand auf. Nach und nach erkundet er eine Welt, die ihm trotz vieler Unbekannten nicht fremd zu sein scheint. Gefahren und Prüfungen stellen sich ihm in den Weg zu den so dringend benötigten Antworten. Kommt mit in eine großartige Indie-Erfahrung!

Konsole: Xbox Series X

Autor: Alex

Inhaltsverzeichnis

Gameplay: Inspiration oder Kopie?

Eine sehr drastische Überschrift, das gebe ich zu. Es ist aber auch eine, die sich mir während des Spiels immer wieder in den Kopf gebrannt hat. Wie weit kann ein Spiel gehen, um noch von einer Inspiration reden zu können und ab wann ist es eine schlichte Kopie bekannter Spielemarken? Der Grat bei der Suche nach einer Antwort dürfte ein bemerkenswert schmaler sein, denn will ich in den kommenden Bereichen auch ein wenig versuchen diese Frage zu beantworten, ehe ich mich dann spätestens im Fazit zu einer finalen Positionierung äußere –ohne Frage wird das auch Auswirkungen auf die Wertung haben.

Motivation: Gemeinsam nach Antworten suchen

„Tunic“ setzt euch direkt zu Spielbeginn mit der Spielfigur gleich. Weder ihr noch der kleine Fuchs habt eine Idee, warum ihr auf dieser Insel gelandet seid. Ihr wisst nicht, was euer Bestreben oder eure Fähigkeiten sind. Gemeinsam macht ihr euch auf die Insel, seine Geheimnisse und Gefahren kennenzulernen. Aus dieser Grundsatzidee entwickelt sich im restlichen Spielverlauf ein wichtiger Aspekt bei der Spielermotivation. Denn ihr wollt immer mehr entdecken, ihr wollt verstehen, warum die Welt und seine Bewohner so ticken wie sie ticken.

Um diese Fragen zu beantworten, erkundet und erschließt ihr neue Gebiete, erweitert eure Fähigkeiten und bekämpft natürlich auch Gegner. Doch ihr sammelt auch – gerade eine Sammelaufgabe solltet ihr immer im Auge behalten: Auf der ganzen Welt sind hell leuchtende Schnipsel versteckt. Hinter jedem dieser Schnipsel verbergen sich maximal zwei Seiten eines Lösungsbuchs. Ja richtig gelesen. Ihr sammelt ingame Seiten von einem Lösungsbuch zusammen, dass ein wenig an die Optik der Begleithefte von Videospielen aus den 1990er Jahren orientiert ist. Neben den grundlegenden Mechaniken, Zielen und auch Gebietskarten, könnt ihr euch auf zusätzliche Hinweise und Geheimnisse freuen. Letztere könnt ihr nur anhand eines vollständigen Lösungsbuchs abschließend aufdecken.

Aber keine Sorge ihr müsst nicht wie verbissen nach diesen Seiten suchen. Ein Großteil wird euch im Laufe der Handlung vor die Nase gesetzt und es sind dann jene Seiten, die wirklich nur für das Komplettieren des Spiels erforderlich sind. Alles andere gilt es dann für die Komplettierer teilweise in fummeligster Kleinstarbeit zusammenzusuchen.

Doch ganz ohne Suchen, Grübeln und teilweise wahlloses Ausprobieren von Optionen kommt ihr in der Welt von „Tunic“ nicht weiter. Das kann zwischenzeitlich sogar auch demotivierend wirken, wenn ihr euch in einer scheinbar ausweglosen Situation befindet, aber wenn ihr es dann doch geschafft habt, ist die Freude umso größer. „Tunic“ ist daher für alle Spielertypen konzeptioniert und bietet für alle einen großartigen Rahmen.

Steuerung: Wie „The Legend of Zelda“ nur anders… Oder?

Nicht nur der ultimative Spielbeginn von „Tunic“ erinnert an die ersten Gehversuche der grün gekleideten Nintendo-Ikone Link. Auch die Steuerung im weiteren Verlauf muss sich immer wieder die Ähnlichkeit gefallen lassen. Besonders auffällig: „Tunic“ verfügt über Schwert, Schild, Magie, sowie zwei Tränken (Heil- und Magietrank)… Ein Greifhaken-ähnliches Utensil kommt erst gen Ende. Hinzu kommen diverse Kampfitems (meist explosions-orientiert – aber NEIN, die „Link´sche“ Bombe“ ist nicht enthalten… also zumindest nicht direkt).

Der kleine Fuchs bewegt sich in einer oftmals rechtsgelagerten Iso-Perspektive durch die ansonsten aber in 3D gehaltene Spielwelt. Genau hier verstecken sich manchmal ganz interessante Spielereien mit der Welt, wenn man einen geheimen Gang hinter einem Objekt findet, den man durch die Standardsicht nicht sieht. Neugieriges Erkunden hat sich also selten so gelohnt wie in diesem Titel.

Die Ausrüstung von „Tunic“ ist auf insgesamt drei Plätze (B-, X-, Y-Taste) beschränkt, einzig das Schild (RT-Taste) ist ein „fixer“ Ausrüstungsgegenstand, der auch nicht ausgetauscht werden kann. Welche Angriffe „Tunic“ verwendet liegt damit allein in eurer Hand – eine Spezialisierung auf eine Waffe ist somit möglich.

Über die „LB-Taste“ wechselt ihr ins Ausrüstungsmenü, dort könnt ihr dann die Waffen zuordnen, euer Münzkonto begutachten oder auch (im späteren Verlauf) sog. „Vorteile“ aktivieren. Letztere findet ihr im Rahmen eurer Reise. Außerhalb dieses Menüs steuert sich Tunic stets genau und kann durch die „A-Taste“ sowohl sprinten wie auch eine Ausweichrolle vollführen. Insgesamt wird euch schnell ein eher gemächliches Spieltempo auffallen, dass gerade bei den Konfrontationen mit Bossgegnern auch gerne einmal zu eurem Nachteil werden kann, denn dann zeigt sich das Spiel von seiner Soulslike-Seite und fordert euer gesamtes Wissen über die Steuerung und den Gegner heraus.

Das ist vielleicht DIE Besonderheit an „Tunic“ trotz seines knuffigen Designs und des Erkundungsschwerpunkts sind gerade die Auseinandersetzungen mit mächtigen Gegnern nichts für schwache Nerven und können mitunter sehr fordernd sein. Ein schöner Gameplay-Twist der mich durchaus auch mal zu schweißtreibenden Konfrontationen geführt hat.

Inhalt: Ihr wisst, dass ihr nichts wisst!

Bereits bei der Motivation habe ich es schon angerissen, dass einer der spannendsten Aspekte innerhalb von „Tunic“ der ist, dass ihr genauso ahnungslos in die Welt taumelt wie der kleine Fuchs selbst. Genau hiervon lebt das Spiel, deswegen werde ich euch hier auch nicht viel über die Geschichte und Hintergründe des Abenteuers erzählen, denn das sollt ihr selbst herausfinden.

Nur so viel: Ihr startet von einem Strand aus die Erkundung einer Welt, die euch zwar auf der einen Seite fremd vorkommt, ihr aber auch immer wieder vertraut wirkende Ecken findet. Herrlich schnell seid ihr mit den ersten Bereichen und Ecken vertraut und erweitert ab hier immer mehr euer Wissen über die Welt, ihre Lokationen, ihre Bewohner (und damit eure Gegner). Durch das sich immer weiter steigernde Wissen, taucht ihr irgendwann auch die Geschichte in und werdet mitgenommen auf eine am Ende überraschend emotionale und bewegende Geschichte von Liebe, Verzweiflung und Tod. Lasst euch ein auf diese Reise und erlebt diese bewusst, dann können auch die unterschiedlichen Szenarien (gleich noch mehr dazu) wirken.

Schnell wird die „View“-Taste euer bester Freund, denn mit ihr öffnet ihr das oben bereits angesprochene „Lösungsbuch“. In ihm verstecken sich nämlich die verschiedenen Hilfen und Erklärungen, aber auch Dungeon- und Gebietskarten. Insgesamt lädt euch das Spiel ein

  • Zehn Gebiete bzw. Dungeons zu erkunden
  • Verschiedenste Sammelobjekte zu finden, wie
    – Vorteilskarten
    – Seiten für das Lösungsbuch
    – Münzen für einen Wunschbrunnen
    – Status- und Ausdauer verbessernde Items (insgesamt sechs Kategorien)
    – Trankteile (um einen neuen Heiltrank freizuschalten – ja ein Herzcontainer war wohl auch dem Team zu offensichtlich)
    – Versteckte Sammelobjekte
    – Feen (HAAA! Aber sie beleben euch nicht wieder, sondern fliegen in eine Art „Feenhain“ – ja, macht es nicht besser)

Den ersten Punkt müsst ihr schlicht und ergreifend machen, um das Spiel abzuschließen. Bei den Sammelobjekten ist es schon etwas anderes, denn diese werden nicht (alle) für ein erfolgreiches Durchspielen benötigt. Empfehlenswert ist es, wenn ihr ein Auge auf die Statusverbesserer werft – das Dumme: Diese sind (wie die meisten Sammelgegenstände auch) in Truhen versteckt und ihr wisst nicht, was euch erwartet. Wenn ihr Objekte zur Verbesserung eures Status gesammelt habt (Reißzahn, Fuchsstatue, Seerose, pinke Blume, Blätter, blauer Pilz), dann sucht euch eine der nicht ganz so zahlreich (aber immer fair) verteilten Speicherpunkte. Öffnet dort euer Menü über „LB“ und wählt den zu verbesserten Bereich aus. Gemeinsam mit einer Geldspende werden daraufhin die ausgewählten Werte verbessert. Etwas lästig (aber Jammern auf hohem Niveau): Eine Mehrfachauswahl bei diesen Verbesserungen ist leider nicht möglich).

Und noch ein letzter Praxistipp: Die Münzen für die Wunschbrunnen schalten euch ab einer bestimmten Menge neue Plätze für das Aktivieren von Vorteilskarten frei! Insgesamt könnt ihr fünf solcher Karten gleichzeitig tragen – das erfordert aber Suchen!

Präsentation: Optik-Perle

Optisch gibt es nichts, was „Tunic“ falsch macht. Bereits nach den ersten Minuten ist man von der eher minimalistischen aber gleichzeitig wunderschönen Welt gefangen genommen. Die unterschiedlichen Gebiete und Dungeons werden auch schön herausgearbeitet. Insgesamt sind die Design-Entscheidungen der Verantwortlichen bemerkenswert. Die Monster wirken alle trotz ihre „knuffigen“ Art bedrohlich und später auch teilweise echt angsteinflößend (Stichwort: Atemschutzmaske tragende Hasen, oder Manteltragende Revolverkrähen).

Mit der Grafik ist es wie mit dem gesamten Spiel: Je mehr und intensiver man sich mit ihr beschäftigt, desto mehr lässt sie auf uns los. Mit fortschreitendem Spielverlauf werdet ihr die ungeheuerlichsten Orte und Szenerien erkunden. Von ultrafuturistisch bis erdrückend düster wird alles dabei sein und so gegensätzlich das jetzt auch klingen mag: Es funktioniert. Ich mochte diesen teils modernen teils Science-Fiction-mäßigen Einschlag in das Spiel sehr gerne.

Die komplette Magie entfaltet das Spiel aber erst, wenn auch der Sound aktiv ist, denn dann könnt ihr auch dem sich niemals aufdrängelnden Soundtrack lauschen und der entführt euch endgültig in die Welt von „Tunic“. Meist ruhige und rhythmische Melodien laden ein, sich auch noch weitere Minuten mit dem Weiterkommen zu beschäftigen und eben nicht frustriert aufzugeben. Die Bosskämpfe werden je nach Umgebung gut untermalt, überborden aber niemals oder verraten etwas in Sachen „Kampfrhythmus“.

Allein aus optischen bzw. insgesamt inszenatorischen Gründen ist es „Tunic“ mehr als wert gespielt zu werden und entschädigt allein durch seine Optik auch mal die ein oder andere fummelige Sucherei.

Fazit: Großartig inspiriert und (fast) nicht kopiert!

Ich habe weiter oben bereits angedeutet, dass ich im Fazit eine finale Stellung nehme, was die Frage angeht, ob „Tunic“ nun einfach sehr stark von den Anfängen der „The Legend of Zelda“-Reihe inspiriert wurde, oder es schlicht für seine Zwecke kopiert hat. Während ich gerade in den ersten Stunden des Spiels doch hin uns wieder eher mit den teils gravierenden Ähnlichkeiten zu kämpfen hatte, änderte sich diese Wahrnehmung aber im weiteren Spielverlauf.

Das der Beginn so bewusst an die offensichtliche Inspiration angelehnt ist, dürfte Kalkül sein, denn man verlässt sich einfach auf diesen doch sehr starken und mittlerweile historischen Start von Link mit „Nimm das – es ist gefährlich draußen“-Dialog. Auf letzteren verzichtet man zwar, dennoch findet man seine erste Waffe in einem Haus unmittelbar nachdem man den Strand verlassen hat.

Doch je weiter man in das Spiel vordringt, desto mehr wird man sich der eigenen Kreativität des Entwicklerteams bewusst. Gerade die Soulslike-Bosskämpfe heben das Spiel schon sehr früh von der japanischen Inspirationsquelle ab. Und diese Abgrenzungen häufen sich dann immer mehr. Mal durch das Installieren von Sci-Fi-Elementen, dann wieder durch ein Story-Element. „Tunic“ tut im weiteren Spielverlauf viel, dass man am Ende eben nicht mit dem Gedanken „lieber gut kopiert, als schlecht gemacht“ den Controller beiseitelegt.

Stattdessen versorgt uns der Titel mit einer herrlichen – und trotz vieler kleiner Frustmomente und der ein oder anderen fummeligen Suche nach dem nächsten Fortschritt – kurzweiligen Erfahrung. Gemeinsam mit „Tunic“ lüftet man die Geheimnisse hinter dieser Welt und wird dafür mit einer überraschend emotionalen Handlung belohnt. Der „große Preis“ ist aber sicherlich die Erfahrung selbst. Die Dungeons, die es zu erkunden gilt. Die Szenerien, die einem auch mal den Atem stocken lassen und – so paradox sich das bei einem Soulslike-Titel anhören mag – die beinahe meditative Seite des Spiels.

Pssst… Haltet mal bei bestimmten Türen und Blöcken die „A-Taste“ lange gedrückt!!!

Keep on Gaming

Wertung

Pro und Contra

ProContra
Minimalismus statt Effektbombast„The Legend of Zelda“-Ähnlichkeit teils sehr offensiv
Sci-Fi- und Soulslike-Elemente„Nächste Schritte“ oft nicht immer klar
Inszenierung 

Score

KategoriePunkteBegründung
Motivation7Diese Ratlosigkeit und das „Nichtwissen“, die einen über das gesamte Spiel begleiten, können für die einen (mich) motivierend sein, für die anderen aber genauso abschreckend. Im späteren Verlauf übernimmt dann zudem die immer größer werdende Spielwelt mit ihren Dungeons einen weiteren Hauptpart der Motivation.
Steuerung7Insgesamt eher kompromisslose und minimalistische Steuerung, die immer auf den Punkt genau funktioniert. Durch die langsame Spielgeschwindigkeit steht sie sich aber in so manchen Situationen auch selbst im Weg.
Inhalt7Durch die Unwissenheit wird das Suchen nach dem nächsten Fortschritt manchmal zur kleinteiligen Plackerei, aber umso größer ist dann auch die Freude. Insgesamt begeistert vor allem die zweite Hälfte mit großartigen Moral-Ideen und macht so die ein oder andere fummelige Suche wieder wett.
Präsentation10Minimalismus kann funktionieren – wenn er so eingesetzt wird, wie hier in „Tunic“. Die Spielwelt lädt mit ihren verschiedenen und grandios designten Gebieten und Gegnern jederzeit zum Erkunden ein. Gerade zum Ende hin begeistern die Entwickler mit atemberaubenden Sci-Fi-Elementen und Designs.
Gesamt78 %Je nach Spielertyp ist „Tunic“ eine schöne Erfahrung „für Zwischendurch“ oder eine groß angelegte Reise mit viel Sucherei und noch mehr Geheimnissen, die es zu entschlüsseln gilt. Durch diese offene Konzeptionierung ist das Spiel vor allem aber eins: Perfekt für so gut wie jeden Spielertyp im Bereich der Action-Adventure-Games. Gebt dieser Indie-Perle eine Chance!

Infos

PublisherFinji
Entwickler Adrew Shouldice
PlattformPC (Microsoft + macOS)
Xbox One/Series
Playstation 4/5
Nintendo Switch
GenresAction-Adventure
ReleasePC-Versionen, Xbox: 16. März 2022
Switch, PS-Versionen: 27. September 2022
Websitehttps://tunicgame.com/
Altersfreigabe6 Jahre (USK)
Spielzeit (Quelle: www.howlongtobeat.com) Ca. 15 Stunden (Durchschnitt)
Systemvoraussetzungen PC – Windows (empfohlen) Quelle: SteamBetriebssystem: Windows 10
Prozessor: Intel i5 Quad-Core, 3 GHz
Arbeitsspeicher: 8 GB RAM
Grafik: GTX 1080 Ti / RX Vega 64
Speicherplatz: 2 GB verfügbarer Speicherplatz
Zusätzliche Anmerkungen: Gamepad or Controller Recommended.  
Systemvoraussetzungen PC – macOS (empfohlen) Quelle: SteamBetriebssystem: Mac OS X 11.6
Prozessor: M1
Arbeitsspeicher: 8 GB RAM
Grafik: M1 Speicherplatz: 2 GB
verfügbarer Speicherplatz
Zusätzliche Anmerkungen: Gamepad or Controller Recommended.  

Trailer zu Tunic