Der Verlag „Heyne Hardcore“ hat es mir angetan. Ebenfalls meine erste drei Bücher von John Niven: „Gott bewahre“, „Coma“ und „Kill your friends“. „Music from Big Pink“ ist das Erstlingswerk des Autors – auch wenn es erst viel später in Deutschland erschien. In diesem Roman begleiten wir Greg als kleiner Drogendealer, der sich um Bob Dylan und The Band bewegt. Die Erfolgsgeschichte einer Band, erlebt aus den Augen eines kleinen Dealers. Wir haben genauer hingesehen.
Buch Rezension von Mario Zollitsch
Buchautor mit Background
Erst seit 2002 ist John Niven als Autor tätig und verdient sich damit seine Brötchen. Zuvor arbeitete er als A&R – Manager in einer größeren Plattenfirma. Dieser Lebensabschnitt spiegelt sich in seinen ersten beiden Romanen stark wieder: Sowohl in Music from Big Pink, als auch in „Kill your friends“ spielt Musik eine große Rolle. Bei „Kill your friends“ aus den Augen eines Produzenten, bei Music from Big Pink aus dem Blickwinkel eines kleinen Drogendealers einer erfolgreichen Band.
Einer der großen Wiedererkennungswerte von Niven ist seine unverblümte, harte Sprache, mit denen er seinen Charakteren die nötigen Kanten und Züge gibt. Durch den Erfolg seiner oben genannten drei Romane wurde 2012 auch „Music from Big Pink“ in Deutschland veröffentlicht – jenes Buch, welches Niven erst zum Schreiben gebracht hat und seine bisherige Karriere beginnen lies.
Fiktion und Biographie
Interessant an Music from Big Pink ist die Verschmelzung von Fiktion und Realität. Der Protagonist, Greg Keltner, ist ein von Niven erdachter Charakter. Ein nicht zu Ende geführtes Studium und die Liebe zur Musik lassen Greg nach Woodstock ziehen, um dort in der Nähe des großen Vorbildes Bob Dylan sein zu können. Sein Freundeskreis gibt sich ebenfalls der Musik hin – als bald sehr erfolgreiche Band. Wie der Titel des Buches bereits verrät, handelt es sich um die Band „The Band“. Und Music from Big Pink ist der Titel ihres ersten Albums. Während Greg also die verschiedensten Leuten mit Stoff beliefert und seien Freiheit genießt, entwickeln sich seine Freunde zu einer der großen erfolgreichen Bands der 70er Jahre. Nivens Idee dabei war, die Band möglichst wahrheitsgetreu darzustellen und einen bandbiographischen Einblick zu geben – doch aus der Sicht des kleinen Dealers Greg. Solche Gestalten wie Greg, so Niven, gebe es etliche im Musikgeschäft. Und er selbst habe viele davon kennengelernt in seinem Job als A&R-Manger. Meist enden diese Karrieren allerdings bei weitem weniger erfolgreich als die ihrer Kundschaft.
Lasst mich euch eine Geschichte erzählen…
Niven bezeichnet Music from Big Pink selbst als eine Novelle. Und diese Bezeichnung trifft auch besser zu als der Begriff Roman. Von einem Roman erwartet man zumindest einen Spannungsbogen, eine Story die sich zuspitzt, vielleicht mit einer überraschenden Wendung auftrumpft und zum Schluss die Spannung entlädt. So oder so ähnlich. Eine Novelle berichtet über einen Vorgang – hier die Entstehung der Band „The Band“. Wie diese Entwicklung endet, dürfte zumindest den Musikliebhabern unter den Lesern bekannt sein. Wie das Leben von Greg, dem Dealer, endet, erfahren wir schon auf den ersten Seiten des Buches: Eine übergewichtige, ausgebrannte und heroinabhängige Existenz, deren beste Tagen schon sehr lange zurück liegen.
Was sollte also dazu verleiten, das Buch zu lesen? Eine Kurzbiographie von „The Band“ gibt sicherlich ebenso viele Informationen her wie Nivens Novelle. Doch eine Biographie schafft es nicht, die Gefühle der Mitglieder, deren Persönlichkeiten und deren Erlebnisse so nah darzustellen. Aus der Sicht von Greg wird der Leser in die Mitte der Stars gebracht. Zusammen mit den Idolen der Musikgeschichte wird gekifft, gekokst, getrunken und gefeiert. Sowohl die Stärken als auch die Schwächen – zu Beginn der Karriere und auch später – werden hautnah dargestellt. Und Greg begleitet The Band auch nur bis zu ihrem ersten großen Album Music from Big Pink. Dann trennen sich ihre Wege.
Fazit: gut
Ich entwickle mich immer mehr zu einem Niven-Fan. Music from Big Pink ist aber meiner Meinung nach weit von „Coma“ und „Gott bewahre“ entfernt. Doch der Ansatz der Erzählung ist sehr gelungen: Die Entstehungsgeschichte einer großen Rockband aus der Sicht eines befreundeten Drogendealers – so intensiv wird eine Band in nur wenigen Medien dargestellt. Wer mit Musik aus dieser Zeit und dem schroffen Umgangston von Niven etwas anfangen kann, darf sich „Music from Big Pink“ auf keinen Fall entgehen lassen – und dazu am Besten auch gleich das passende Album hören, wie ich es beim Schreiben getan habe.
Genre | Novelle, Musik |
Verlag | Heyne Hardcore |
Autor | John Niven |
Erscheinungstermin: | 09.07.2012 |
Originalverlag | Continuum Publishing |
Übersetzer | Stephan Glietsch |
Seiten | 224 |
ISBN: | 978-3-453-67622-0 |
Preis (TB) | 9,99 € |